Klinikum auf Sparkurs
Hersfeld-Rotenburg – Seit Mitte Januar ist Katja Bittner die neue Geschäftsführerin des Klinikums. Mittlerweile kann sie das bestätigen, was zu ihrer Anstellung geführt hat: Die finanzielle Lage des Kreiskonzerns ist „sehr ernst“, sagt die Übergangschefin, die rund neun Monate Zeit hat, das Unternehmen in die Spur zu setzen.
„Die wirtschaftliche Situation muss sehr schnell und sehr klar verbessert werden“, so Bittner im Gespräch mit unserer Zeitung – Stellschrauben werden dabei auch das Personal sowie die vorgehaltenen Leistungsangebote sein. Bis Ende März soll ein mit dem Betriebsrat abgestimmter Maßnahmenkatalog vorliegen, der auch aufzeigt, wo das Klinikum in drei Jahren stehen könnte.
Erste Veränderungen sollen laut Bittner bereits im laufenden Jahr greifen. So werden etwa bis Sommer zwei Intensivstationen zusammengelegt und neu gegliedert, rund drei Millionen Euro könnten so eingespart werden. Weitere Abteilungen wie die Orthopädie, Unfallchirurgie und Neurochirurgie sollen folgen. Eine derart schnelle Verbesserung sei allerdings eher die Ausnahme, räumt die Geschäftsführerin ein – auch, weil die Ursachen für die finanzielle Not des Kreiskonzerns vielfältig seien.
Es sind erste Schritte auf einem Weg, die auch der Kreistag wiederholt gefordert hatte: Das defizitäre Klinikum – im Haushaltsentwurf sind erneut rund 40 Millionen Euro eingeplant – ist für Hersfeld-Rotenburg allein nicht mehr zu stemmen. Problematisch sind vor allem die roten Zahlen aus dem laufenden Betrieb. Anders als Investitionen wie der Neubau belasten sie den Kreishaushalt bei Zuschüssen mit kurzfristigen, teuren Liquiditätskrediten (siehe Hintergrund). Dabei, heißt es vom Regierungspräsidium (RP) Kassel, habe auch die Genehmigungsbehörde keinen Spielraum – die den Finanzplan ohnehin kritisch sieht.
Eine große Entlastung erhoffen sich die Verantwortlichen vom Neubau in Bad Hersfeld, der durch die Standortkonzentration in der Kreisstadt rund ein Drittel des Defizits abschmelzen soll. Weitere Stellschrauben sind interne Umstrukturierungen – vor allem beim teuren Leihpersonal – und Wachstum. Wie hoch der Zuschussbedarf des Klinikkonzerns bis zur Inbetriebnahme des Neubaus im Jahr 2027 voraussichtlich ausfällt, bleibt offen: Interims-Geschäftsführerin Katja Bittner will zunächst Aufsichtsrat und Gesellschafter über die Auswirkungen der Sparmaßnahmen informieren.
Land lehnt Bürgschaft ab
Der Versuch, die vom laufenden Betrieb verursachten Finanzlöcher über vom Land Hessen verbürgte Darlehen ihrer Förderbank zu stopfen, scheiterte. Das Gesundheitsministerium schreibt auf Anfrage der Kreistagsfraktion UBL/Bürgerherz, es sei „unklar geblieben, in welcher Höhe ein Darlehen benötigt wird.“ Landrat Torsten Warnecke (SPD) hatte jüngst angedeutet, es werde an Lösungen gearbeitet – Anfragen unserer Zeitung zu Klinikum und Haushalt bleiben aber unbeantwortet.
„Zu lange im eigenen Saft geschmort“
Die neue Geschäftsführerin Katja Bittner will Wende im Klinikum einleiten
Hersfeld-Rotenburg – Seit Mitte Januar ist Katja Bittner neue Geschäftsführerin des Klinikums Bad Hersfeld-Rotenburg. Sie folgt in dieser Position auf Rolf Weigel. Ihr Engagement in Bad Hersfeld ist allerdings auf nur neun Monate angelegt. In ihrem ersten Interview als neue Geschäftsführerin des Klinikums sprach sie mit Clemens Herwig und Kai A. Struthoff.
Frau Bittner, normalerweise gibt man neuen Führungskräften 100 Tage Einarbeitungszeit. Bei Ihnen gelten andere Maßstäbe, denn Sie sind nur neun Monate hier. Wie ist Ihr Eindruck vom Klinikum nach den ersten zwei Monaten, wie ernst ist die Lage?
Die 100-Tage-Frist konnte auch ich mir nicht geben, denn die Lage ist sehr ernst. Deshalb müssen wir schnell sein, um Gegenmaßnahmen einzuleiten. Die wirtschaftliche Situation muss sehr schnell und sehr klar verbessert werden. Wir müssen jetzt aufzeigen, wo das Klinikum in zwei bis drei Jahren stehen soll. Klar ist dabei auch, dass die Gründe für die gegenwärtige Lage sehr vielfältig sind und daher nicht so einfach zu beseitigen.
Hinter vorgehaltener Hand werden Sie auch als Sanierungsgeschäftsführerin bezeichnet. Von einer Saniererin, die noch dazu nicht lange im Amt ist, erwartet man sehr schnell, harte und unbequeme Entscheidungen, die ja offenbar auch nötig sind. Beschreibt das Ihre Aufgabe richtig?
Das Wort Sanierung wäre dann richtig, wenn man mal eben schnell sanieren könnte. Aber das geht in neun Monaten nicht, und das gibt auch die Gesamtlage nicht her. Alles, was wir tun, muss nachhaltig sein. Gleichzeitig haben wir auch einen Versorgungsauftrag. Der steht mit seinen Personalvorgaben für jede Form der erbrachten Leistung einer schnellen Sanierung im Wege. Wir können hier nicht einfach mal so 20 Prozent Personal abbauen, weil uns sonst sogar Sanktionen drohen. Deshalb gilt es, sehr sorgfältig zu prüfen, was man dreingeben kann, und was dem Gesamtangebot nicht schadet. Für eine echte Sanierung müsste man ein Unternehmen entkernen und völlig neu aufstellen. Aber das geht hier am Klinikum nicht.
Wenn Sie also nicht sanieren, wie beschreiben Sie dann Ihren Arbeitsauftrag?
Meine Aufgabe ist es, die Wende einzuleiten. Wir dürfen finanziell nicht immer schlechter werden. Dazu müssen wir wissen, was zu tun ist, um wirtschaftlich besser zu werden. Dabei gilt es, auch mit Blick auf die bevorstehende Krankenhausreform, die richtigen Schritte zu machen. Was ich hier vorfinde, ist fehlende Objektivität, weil man schon lange im eigenen Saft schmort und der Blick von außen fehlt. Deshalb kann man einiges sehr schnell verändern. Aber den großen Schritt hin zu einer Defizitreduzierung werden wir erst dann machen, wenn wir alle medizinischen Angebote an einem Standort versammelt haben.
Die Entscheidung, das HKZ und das Klinikum an einem Standort zu konzentrieren, die ja weit vor Ihrer Zeit gefällt wurde, halten Sie also für richtig?
Sie ist sogar unabdingbar. Das beginnt damit, dass wir die Orthopädie schon im Sommer im Klinikum einbinden. Dabei ist es wichtig zu wissen, dass die Ausbildung in der Orthopädie auch Unfallchirurgie mit beinhaltet. Das sagt eigentlich alles: Diese Abteilungen sind sehr artverwandt, auch wenn sich viele Fachzentren herausgebildet haben. Aber wir können uns keine Insellösungen mehr leisten und wollen das auch nicht. Hinzu kommen Synergien durch räumliche Zusammenlegungen, die auf der Hand liegen: von Technik, IT bis hin zur Reinigung. Und die Qualität kann sich durchaus verbessern, wenn man alle nötigen Fachabteilungen vor Ort hat.
Personal und die vorgehaltenen Leistungen sind also die Stellschrauben, mit denen man einsparen kann. Wenn das Personal durch den Versorgungsauftrag vorgegeben wird, wo also wollen Sie sparen?
Wir werden Abteilungen personell zusammenfassen müssen. Wir haben hier ein großes Angebot, das ist zunächst erfreulich. Aber jede Abteilung erfordert eine Mindestgröße. Das muss nicht so sein. Man kann Themen zusammenfassen, etwa ein Bauchzentrum, das die Viszeralchirurgie und die Gastroenterologie zusammenfasst. Auch die Orthopädie, die Unfallchirurgie und die Neurochirurgie können zusammengefasst werden. Außerdem gibt es hier viele Insellösungen, die aus der Historie gewachsen sind. Da konnten zwei nicht miteinander, und deshalb wurden ihre Abteilungen getrennt. Dafür ist der Blick von außen wichtig. Zudem ist es unstrittig, dass es einen Personalüberhang gibt. Wie viel, wo und wann wir abbauen, besprechen wir mit den Betriebsräten.
Wo soll es denn Personalüberhang geben? Wir hören immer von überlasteten Pflegekräften und zahlreichen Kündigungen im ärztlichen Bereich.
Da muss man unterscheiden, von welchem Personal man spricht: Hier gibt es viele Berufsgruppen, obwohl wir etwa 20 Prozent der Leistungen verloren haben. Das muss überprüft werden, doch in vielen Bereichen geht es nur um einzelne Stellen, die auch sozialverträglich abgebaut werden können. Wir haben allein an diesem Standort 292 Ärzte, deshalb stürzen wir nicht ins Elend, wenn vier von ihnen kündigen. Das Klinikum hat einen Personalkostenanteil von 73 Prozent, obwohl der Durchschnitt in vergleichbaren Häusern bei 62 Prozent liegt. Bei einem Erlös von 200 Millionen Euro ist das eine echte Hausnummer, bei der man ansetzen muss. Vieles wird sich aber dadurch erledigen, dass wir nicht mehr auf Fremdpersonal zurückgreifen müssen. Und viele kleine Abteilungen, die es hier noch gibt, sollen in Zentren zusammengeführt werden.
Aber widerspricht das nicht dem Trend in der Medizin zur immer stärkeren Spezialisierung?
Dieser Trend begann vor etwa 15 Jahren. Bis dahin gab es noch den Chirurgen und den Internisten, die sehr breit aufgestellt waren. Heute gibt es viele spezialisierte Untergruppen, was allerdings ein breites medizinisches Spektrum der Ärzte beeinträchtigt hat. In der Medizin braucht man aber beides: Spezialisten, aber auch Allrounder, vor allem aber Zusammenarbeit.
Klingt nachvollziehbar. Aber in der Ärzteschaft machen Sie sich mit diesen Aussagen vermutlich keine Freunde?
Bislang führe ich hier nur positive Gespräche. Natürlich gibt es auch kritische Nachfragen. Aber alle haben erkannt, dass die Lage ernst ist und sich etwas ändern muss. Das haben vor allem unsere Leitenden Ärzte erkannt, sie wollen auch, dass sich etwas ändert. Aber das geht natürlich nur im Team.
Im Augenblick hat das Klinikum einen Zuschussbedarf von etwa 40 Millionen Euro jährlich durch den Landkreis. Sie haben eben gesagt, der größte Schritt hin zu einer Defizitreduzierung ist die Zusammenlegung der Kliniken an einem Standort. Was wird das finanziell ändern?
Der Anbau wird ein Drittel des finanziellen Defizits beseitigen. Ein Drittel müssen wir durch interne Prozessoptimierung lösen, vor allem dadurch, dass wir kein Leihpersonal mehr brauchen. Und das dritte Drittel muss durch Wachstum gelöst werden. Wachsen können wir aber nur, wenn die Prozesse stimmen. Denn ich kann keine Leistungssteigerung ohne freie Betten oder OP-Kapazitäten erreichen. Genau das ist auch mein Auftrag hier: Ich sollte schnell eine Initialzündung veranlassen.
Wie weit sind Sie bei der Prozessoptimierung und wann werden darüber die Kreispolitik und die Öffentlichkeit informiert?
Ende März wird ein Maßnahmenkatalog aufgestellt und kommuniziert sein, aus dem sich die weiteren Handlungsfelder ergeben. Einiges wird sofort angegangen, anderes greift erst, wenn andere Voraussetzungen erfüllt sind. Daraus ergibt sich ein Konzept für die nächsten vier Jahre.
Wenn die ersten Maßnahmen im März kommuniziert werden, wie schnell werden sie greifen?
Als erste Maßnahme werden zwei Intensivstationen zusammengelegt und neu gegliedert. Das soll bis zum 1. Juli 2025 der Fall sein und damit sparen wir dann 2,9 Millionen Euro ein bei der Arbeitnehmerüberlassung und bei den Pflegekräften. Das ist eine schnelle Verbesserung und eher die Ausnahme. Beim Belegungsmanagement erhoffe ich mir schnelle Erfolge, denn zurzeit haben wir zu viele Betten, die zu spät frei gemeldet werden. Auch in der Notaufnahme haben wir lange Wartezeiten, das weiß jeder, der dort mal war. Das muss anders organisiert werden. Bei der OP-Planung müssen die Säle umstrukturiert werden, um mehr operieren zu können und schneller zu werden. All das will ich anschieben, bevor ich gehe und all das dann an einen neuen Kollegen übergeben. So ist es geplant.
Wie viel Geld muss der Landkreis noch zuschießen, bis der Neubau steht? In diesem Haushalt sind 40 Millionen eingeplant, wie sieht es in den nächsten Jahren aus?
Da möchte ich zurzeit noch keine Zahlen nennen, bevor nicht der Aufsichtsrat und die Gesellschafter informiert sind. Zurzeit stellen wir eine Musterrechnung auf, was passiert, wenn alles gut läuft. Aber in Wahrheit läuft alles ja immer nur fast gut. Natürlich ist dieses Defizit nicht innerhalb von einem Jahr beseitigt, deshalb will ich auch jetzt noch keine konkreten Zahlen nennen.
Sie sprechen von Veränderungen binnen vier Jahren, Sie selbst werden aber nur neun Monate hier sein. Warum? Wollen Sie nicht auch die Früchte Ihrer Arbeit ernten?
Ein Geschäftsführer arbeitet normalerweise mit Fünf-Jahres-Verträgen. Ich arbeite mit einem klaren Auftrag. Ich muss also nicht mit angezogener Handbremse fahren, um nochmal fünf Jahre verlängert zu werden. Mein Auftraggeber, der Landkreis, der zurzeit für das Defizit einsteht, und ich haben also ein gemeinsames Interesse und dabei wird nicht nach links oder rechts abgewogen. Das macht mir Freunde bei dieser Arbeit: Ich muss nicht darauf achten, ob ich jemand auf die Füße trete.
Katja Bittner (57) ist in Fontainebleau südlich von Paris in Frankreich geboren und in England und München aufgewachsen. Nach dem Studium der Betriebswirtschaft war sie zunächst für eine Unternehmensberatung tätig, bevor sie die Leitung diverser Kliniken und Klinikverbünde in Schwaben und Oberfranken übernahm. Bittner lebt seit 15 Jahren in einer Lebenspartnerschaft mit einem Internisten und Betriebswirt, treibt Sport, liest gern und engagiert sich im Lions Club. Sie hat fünf Töchter, das fünfte Enkelkind ist unterwegs.
Kreiskrankenhaus: Gesundheitsversorgung statt Gemischtwarenladen
Das Verhältnis zwischen dem Klinikum Bad Hersfeld-Rotenburg, das dem Landkreis gehört, und dem Kreiskrankenhaus in Rotenburg, das seit 1954 vom Evangelischen Diakonieverein Berlin-Zehlendorf betrieben wird, war nicht immer einfach. Zuweilen hatte man den Eindruck, beide Häuser würden gegeneinander arbeiten. Das sieht Katja Bittner anders: „Ich hatte bislang nicht den Eindruck, dass das Klinikum nicht mit dem Kreiskrankenhaus zusammenarbeiten möchte“, sagte sie im Gespräch mit unserer Zeitung. Sie habe bereits Gespräche mit dem Kreiskrankenhaus geführt. Gleichzeitig stellt Bittner klar: „Rotenburg braucht eine Gesundheitsversorgung. Was Rotenburg aber nicht braucht, ist ein Gemischtwarenladen mit ein bisschen von allem. Aber natürlich braucht es eine Notfall- und Erstversorgung.“ Wie das allerdings im Zuge der Krankenhausreform umgesetzt werden soll, könne man nur gemeinsam bewerkstelligen. „Das Problem entsteht meist dann, wenn man unterschiedliche Träger hat. Mit einem gewinnorientierten oder gemeinnützigen Unternehmen sich abzustimmen ist schwieriger als mit einem kommunalen Träger“, sagte Bittner.
Hier finden Sie den Zeitungsbericht der HZ vom 15.03.2025